Trauerbegleiterin Simone Grünheid spricht mit Angehörigem über Verlust und Trauer

(12.10.2024) Fast jeder Mensch hat schon einmal den Schmerz eines Verlustes gespürt. Doch wie geht das eigentlich – trauern? „Eine Anleitung gibt es dafür leider nicht”, sagt Simone Grünheid, Trauerbegleiterin in unserem Augustinus Hospiz in Neuss. „Jeder Mensch trauert auf seine eigene Weise“, erklärt sie. 

Veraltete Phasenmodelle – Wie trauern wir wirklich? 

Phasenmodelle, die den Trauerprozess in Stadien wie Verleugnung, Zorn und Akzeptanz unterteilen, seien laut der Trauerbegleiterin überholt. Zwar könnten Menschen diese Phasen durchleben, der Ablauf sei aber nicht festgelegt. Überhaupt sei es nicht sinnvoll, Trauer als starren Prozess mit einem Anfang und einem Ende zu betrachten. „Viele Menschen setzen sich unter Druck und wollen schnell wieder funktionieren. Dabei ist das Gegenteil wichtig: Sich Zeit und Raum zu geben, wütend und traurig zu sein. Das sollte selbstverständlich sein”, sagt Simone Grünheid. 

Die Trauerbegleiterin, die zuvor in einem Kinderhospiz tätig war, erlebt täglich, wie unterschiedlich Menschen trauern. Während einige Zeit hätten, sich auf den Abschied vorzubereiten, treffe andere ein plötzlicher Verlust wie ein Schock. „Selbst die Trauer um ein Haustier kann genauso tief empfunden werden wie die Trauer um einen geliebten Menschen“, erklärt sie. Trauer solle niemals bewertet werden, da sie immer individuell sei. 

Warum wir der Trauer Raum geben müssen 

Auch die Art, wie Menschen mit ihrer Trauer umgehen, unterscheide sich stark. „Es geht nicht darum, loszulassen, sondern die neue Lebenssituation zu akzeptieren“, sagt Simone Grünheid. Die Trauer darf wehtun – und das sei in Ordnung. „Vielleicht wird es irgendwann besser, vielleicht sogar wieder richtig gut“, so die Trauerbegleiterin. Für viele sei es jedoch schwer, sich den intensiven, negativen Gefühlen zu stellen. Dabei sei das Annehmen dieser Emotionen entscheidend, um den Verlust langfristig zu verarbeiten. 

Auch widersprüchliche Gefühle seien in der Trauer normal. „Trauer und Wut können nebeneinander bestehen, genauso wie Traurigkeit und Erleichterung“, erklärt Simone Grünheid. Besonders bei langen Leidenswegen empfänden Hinterbliebene oft Erleichterung. „Das muss man sich selbst zugestehen – es bedeutet nicht, dass die Liebe zum Verstorbenen weniger stark ist.“ 

Aus ihrer Erfahrung weiß Simone Grünheid, dass Frauen und Männer oft unterschiedlich trauern. Während Frauen sich eher öffnen und den Austausch suchten, würden Männer dazu neigen, ihre Gefühle für sich zu behalten. „Sie sprechen weniger über ihre Trauer, tragen sie aber tief in sich." 

Wie Kinder trauern – und was wir von ihnen lernen können 

Laut Simone Grünheid trauern Kinder intuitiver und nehmen sich die Zeit, die sie brauchen. „Kinder springen in ihrem Verhalten oft hin und her, von Trauer zu Alltag und dann irgendwann wieder zurück zur Trauer“, erklärt sie. Jugendliche hätten es oft schwerer, da sich Trauer und Pubertät überschneiden. Beide Phasen sind emotional herausfordernd und erfordern viel Unterstützung – gerade von ihrem nahen Umfeld, das durch die Trauer möglicherweise ebenfalls stark belastet ist. 

Rituale wie der Gang zum Grab oder das Teilen von Erinnerungen könnten vielen Menschen helfen, den Verlust in das Leben zu integrieren, ohne die Verbindung zum Verstorbenen zu verlieren. „Manche gehen zum Grab, weil es ihnen guttut, andere, weil sie glauben, dass sie es tun müssen“, betont Simone Grünheid. Auch alte Traditionen, wie die in Deutschland früher praktizierte Totenwache, könnten dazu beitragen, der Trauer mehr Raum zu geben. 

Wie trauern andere Kulturen?

In vielen indigenen Völkern werde der Tod anders behandelt. So ist die Totenfeier bei den Toraja in Indonesien das höchste Fest. Angehörige behandeln die Verstorbenen bis zu zwei Jahre wie lebende Familienmitglieder, bevor die eigentliche Beerdigung stattfindet. Auf Bali wiederum gilt die Kremation als freudiges Ereignis, da sie die Seele des Verstorbenen befreit. Laut Simone Grünheid könnten offenere Umgangsformen auch unserer Gesellschaft helfen, Trauer als natürlichen Teil des Lebens anzuerkennen. 

„Trauer gehört zum Leben und darf nicht verdrängt werden“, betont die Trauerbegleiterin. Es sei wichtig, die eigenen Gefühle zuzulassen, sie zu akzeptieren und den Tod als etwas Natürliches zu begreifen. „Die Liebe zum Verstorbenen bleibt bestehen – aber das Leben muss eine neue Balance finden.“ 

Unser Augustinus Hospiz unterstützt Trauernde auf vielfältige Weise. Aktuelle Termine und Informationen über die Angebote finden Sie auf der Webseite https://www.hospiz-augustinus.de/ 

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