Senioren zu Besuch in der Schule

(24.02.2025) „Wie war der Chemieunterricht in den Dreißigerjahren? Was haben Sie für Experimente gemacht? Und welchen Beruf haben Sie später gewählt?“ Aufmerksam hören die Schülerinnen und Schüler des  Pascal-Gymnasiums Grevenbroich zu, als Johannes Albert ihre Fragen beantwortet. Der 98-jährige Bewohner des  Hauses St. Martinus, einer Senioreneinrichtung der  St. Augustinus Gruppe, freut sich über die Gelegenheit, nach fast acht Jahrzehnten mal wieder die Schulbank zu drücken.

„Begegnung der Generationen“ nennt sich das gemeinsame Projekt, mit dem die Schule und die Senioreneinrichtung seit fünf Jahren den Austausch zwischen Jung und Alt fördern. So besuchen die Schülerinnen und Schüler jeden Mittwoch das Haus St. Martinus und gelegentlich werden themenbezogene Gruppenarbeiten oder Ausflüge organisiert – der Unterrichtsbesuch der Seniorinnen und Senioren ist jedoch eine Premiere. Gemeinsam mit vier anderen Bewohnerinnen des Hauses St. Martinus darf Johannes Albert zwischen einer Stunde Chemie, Physik, Biologie oder Sport wählen – und die Wahl fällt ihm nicht schwer: „Ich wollte früher Chemiker werden und habe mir ein eigenes Labor in der Garage eingerichtet. Wir wohnten auf dem Land, da war viel Platz“, erzählt der gebürtige Sebnitzer. „Am liebsten hatte ich Experimente, bei denen es knallte und Funken sprühte. Meine Silvesterknaller habe ich zum Entsetzen meiner Eltern selbst gebaut.“ Nach dem Abitur und seinem Einsatz im Zweiten Weltkrieg musste er jedoch den elterlichen Betrieb übernehmen, sodass sein Berufswunsch nicht in Erfüllung ging.

 

Schule früher und heute

Von den heutigen Unterrichtsmethoden ist Johannes Albert begeistert. „Ich wurde 1933 eingeschult. Damals war es nicht üblich, dass die Schüler bei den Experimenten mitarbeiten durften. Der Lehrer hat sich ein oder zwei Gehilfen geholt und der Rest musste zuschauen“, beschreibt er. „Außerdem wäre es undenkbar gewesen, dass jemand aus einer Senioreneinrichtung am Schulunterricht teilnimmt.“

Sein Schulalltag auf dem Land wurde vom Krieg zum Glück nur wenig beeinträchtigt, sodass er auf viele unbeschwerte Erinnerungen zurückblicken kann. „Wir hatten eine Lange Busfahrt zur Schule, da haben wir viel Quatsch gemacht“, sagt er mit einem Schmunzeln. „Und welchen Blödsinn macht ihr so in den Pausen?“, möchte er von den Schülerinnen und Schülern wissen. Die Elftklässler lachen, geben sich aber keine Blöße: „Wir machen keinen Blödsinn mehr, die Zeiten sind vorbei.“

Nach der Fragerunde wird experimentiert: Chromatografie. In einem einfachen Versuch mit Papier und Wasser wird sichtbar, wie die Farben von Filzstiften zusammengesetzt sind. Anschließend bekommt Johannes Albert eine Führung durch die Sammlung der Chemie und Physik. Beim Anblick der Ausstattung bekommt der Senior leuchtende Augen: „Toll, einfach toll!“, sagt er strahlend, als ihm ein mobiles glasverkleidetes Minilabor mit Abzugshaube vorgeführt wird, in dem Lehrkräfte Experimente mit Gasen demonstrieren können.

 

Generationen im Dialog: Ein Austausch mit bleibendem Eindruck

„Die Begegnungen, die bei diesen Gelegenheiten entstehen, sind so bereichernd für alle Generationen“, sagt Simone Lüderitz, Lehrerin im Pascal-Gymnasium. „Die Weisheit der Älteren fasziniert sowohl die Schülerinnen und Schüler als auch uns Lehrkräfte. Ein Kollege hat schon gefragt, ob die Senioren noch einmal als Zeitzeugen wiederkommen können.“

Dass sie noch einmal wiederkommen werden, davon ist Dirk Jansen, Leiter des Sozialen Dienstes im Haus St. Martinus, überzeugt. „Es ist schön zu sehen, wie aufmerksam die Jugendlichen zuhören, wenn die Senioren erzählen. Selbst in der Sporthalle saßen alle wie an einer Perlenschnur aufgereiht und lauschten gespannt, wie der Sportunterricht in den 1940er-Jahren ablief. Anfangs fällt es vielen unserer Bewohnerinnen und Bewohner schwer, sich trotz körperlicher Einschränkungen auf den Weg zu machen. Doch sobald sie erstmal da sind, merkt man, wie viel Spaß sie haben.“